DIE BODENPOLITISCHE AGENDA 2020 – 2030 NOTWENDIGE MASSNAHMEN FÜR EINE GEMEINWOHLORIENTIERTE BODENPOLITIK
DIE BODENPOLITISCHE AGENDA 2020 – 2030
NOTWENDIGE MASSNAHMEN FÜR EINE GEMEINWOHLORIENTIERTE BODENPOLITIK
Interview mit Fabian Rohland, Wissenschaftler vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e.V.
Der Umgang mit Grund und Boden rückt im Zuge der aktuellen wohnungspolitischen Debatte zunehmend in den Blickpunkt öffentlicher und fachlicher Diskussionen. Denn angesichts hoher Preisdynamiken auf den Bodenmärkten und zunehmender Baulandknappheiten gerät der Boden als Schlüssel für eine nachhaltige und gemeinwohlorientierte Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik immer stärker unter Druck. Um Antworten auf die aktuellen Bodenfragen zu geben haben das Deutsche Institut für Urbanistik und der vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V. den Expertenkreis „Zukunftsfragen der Bodenpolitik“ initiiert und die Bodenpolitische Agenda 2020 – 2030 verfasst. Fabian Rohland, Wissenschaftler beim vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V. hat an der Agenda auf Seiten des vhw mitgearbeitet und hat das Papier im Rahmen des Camp1 der stadtmachen Akademie vorgestellt.
Warnow Valley/Raumkollaboration: Wer bist Du und warum bist Du heute hier bei der stadtmachen Akademie?
Fabian Rohland: Ich bin Fabian Rohland und seit 2011 wissenschaftlicher Referent beim vhw. Als gelernter Volkswirt und Immobilienökonom beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema Wohnen. Zuletzt habe ich gemeinsam mit dem Difu und einem Kreis unabhängiger Experten die Bodenpolitische Agenda 2020-2030 auf den Weg gebracht. Mein Kollege Sebastian Beck hat mich daher gebeten, heute bei der stadtmachen Akademie einen Input aus meiner Arbeit für die Praxis zu geben.
Warnow Valley/Raumkollaboration: Wie kann man Kommunen dazu ermutigen, bodenpolitische Maßnahmen zu ergreifen?
Fabian Rohland: Ich bin der Meinung, dass Best-Practice Beispiele dabei helfen können in Sachen Bodenpolitik ein Umdenken hin zu mehr Gemeinwohlorientierung anzuregen. Dass die Veräußerung von Grund und Boden nicht zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung beiträgt, ist keine Neuigkeit. Auch die Handlungsfähigkeit zur Erfüllung der kommunalen Daseinsvorsorge, also die Versorgung mit Kitas, Sport- oder Grünflächen, etc., wird durch die Privatisierung von kommunalen Flächen sehr stark eingeschränkt. Um dem entgegenzuwirken braucht es einerseits kommunalpolitischen Rückhalt, d.h. auf kommunalpolitischer Ebene muss es ein Verständnis dafür geben, dass der Boden bzw. der Umgang mit ihm im Wesentlichen ein Gestaltungsinstrument der Stadtentwicklung darstellt und weniger zur Finanzierung der kommunalen Haushalte beitragen sollte. Andererseits benötigt eine handlungsfähige Kommune ein wirksames Instrumentarium sowie finanzielle und personelle Ressourcen, um bodenpolitische Maßnahmen, bspw. im Hinblick auf eine aktive Boden- und Liegenschaftspolitik umsetzen zu können. Ein Erfahrungsaustausch und die Vernetzung der Kommunen untereinander können hierbei ebenfalls hilfreich sein.
Warnow Valley/Raumkollaboration: Was können wir als stadtmacheninnen und stadtmachen tun, um die Kommunen dabei zu unterstützen, die Ziele der Bodenpolitische Agenda umzusetzen?
Fabian Rohland: stadtmacheninnen und stadtmachen sind Initiativen mit einem hohen Innovationsfaktor, deren Projekte und Ziele in vielen Städten Anklang finden. Damit sind die Initiativen wichtige Akteurinnen und Adressatinnen für die Umsetzung der Ziele der Bodenpoltischen Agenda. Allerdings sehe ich auch, dass die Wirkungsmacht der stadtmachen-Initiativen häufig sehr gering ist. Euer Potenzial liegt also vor allem darin, neue und innovative Ideen für die Flächennutzung zu entwickeln und diese in die Kommunen zu tragen.
Warnow Valley/Raumkollaboration: Was spricht eigentlich gegen Enteignung?
Fabian Rohland: Nach deutschem Recht muss eine Entschädigung gezahlt werden, wenn Grundstücke enteignet werden. Diese Möglichkeit wird bereits genutzt, allerdings selten im Wohnungsbau. Enteignungen sind richtigerweise an strenge Voraussetzungen geknüpft und oft politisch nicht gewollt. Von daher stellen sie lediglich die letzte Konsequenz dar, um die Ziele der Stadtplanung umzusetzen, sollte es zu keiner vorherigen Einigung mit den Grundstückseigentümerinnen kommen. Ich finde eine Kooperation mit Eigentümerinnen und Eigentümern stets sinnvoller. Sie sollte immer an erster Stelle stehen anstatt gegeneinander zu arbeiten. Enteignungen sollten kein gängiges Instrument für die Stadtentwicklung werden.
Warnow Valley/Raumkollaboration: Was hältst Du von einer Steuer, die den überdurchschnittlichen (Wohn-)flächenverbrauch pro Kopf sanktioniert?
Fabian Rohland: Eine Art Strafsteuer für zu hohen Wohnflächenverbrauch halte ich nicht für zielführend. Die Frage, die ich mir stelle, ist vielmehr, inwiefern die Menschen wirklich freiwillig in einer zu großen Wohnung leben oder ob sich dieser Umstand bspw. durch Lebenszykluseffekte so ergeben hat. Prinzipiell kann man den Leuten nicht vorschreiben, in welcher Wohnung sie wohnen wollen oder sollen. Die Städte und Kommunen sollten sich stattdessen bemühen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit ein ausreichendes Angebot an bezahlbaren Wohnungen zur Verfügung gestellt werden kann.
Warnow Valley/Raumkollaboration: Was braucht es Deiner Meinung nach für eine aktive Mitgestaltung in der Stadt?
Fabian Rohland: Es braucht viele kreative Menschen und Raum zum Austoben. Zudem ist es wichtig, sich zu vernetzen und somit Synergieeffekte zu nutzen. Außerdem braucht es kurze Wege in die Verwaltung und Politik. Dazu sind ausreichend personelle Ressourcen, direkte Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner in der Verwaltung und die finanziellen Mittel im Haushalt nötig. Die Stadtverwaltungen können durchaus innovative Partnerinnen sein, wenn sie mit den notwendigen Kapazitäten ausgestattet werden.
Das Interview führten
Raphaela Buchberger von der Raumkollaboration zusammen mit Katharina Gronow und Josephine Ulrich vom Warnow Valley.
Das hat uns an dem Impulsvortrag besonders inspiriert
Warnow Valley: Wir finden, dass die Bodenpolitische Agenda 2020-2030 ein wichtiges Papier für die zukünftige Stadtentwicklung sein kann, weil Stadt- und Wohnungspolitik beim Boden anfängt. Viele der genannten Eckpunkte des Papiers können zu einer nachhaltigen und sozialen Stadtentwicklung beitragen. Wir hoffen, dass die Städte diese umsetzen und für sich erfolgreich nutzen können.
Raumkollaboration: Für mich war der Vortrag zur Bodenpolitischen Agenda besonders inspirierend, weil die Raumkollaboration direkt an einige der Themen anknüpft. Die Bevorratung kommunaler Liegenschaften, die gemeinwohlorientierte Vergabe von kommunalen Liegenschaften und die Implementierung von Bodenfonds sind bei der Umsetzung der Raumkollaboration wichtige Instrumente. Außerdem war es sehr spannend zu hören, wie die Ergebnisse der Bodenpolitischen Agenda in die Ergebnisse der Baulandkommission eingeflossen sind.
Redaktion:
Tilla Ziems vom vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V.